November 1, 2024

Brauchen wir Utopie?

von Andreas Butt-Weise

Verlasst Eure Wolkenkuckucksheime, Eure Elfenbeintürme! Kommt herunter und reiht Euch ein! Lasst uns darüber streiten ob und wie die Systemfrage und die Frage der Umverteilung konkret zu beantworten ist.

Ohne den Horizont zu sehen, lässt sich kein Schiff navigieren!

Wenn wir nicht Aussicht auf eine Insel der Seligen haben, können wir dann den Kurs durch die stürmische See halten? Wir dürfen es nicht vermissen lassen, über radikale Lösungen zu reden. Die Insel ist das Ziel, auf das wir uns mit wenigen Knoten zu bewegen müssen. Die Angst, etwas zu sagen, mit dem man als „irre“, „weltfremd“ oder „meschugge“ abgestempelt werden könnte, darf uns nicht leiten. Es ist der Mut zum „Ungefähren“, zum „Nochnichtgekannten“, zum „Nichtvondieserwelt“, der uns unterscheiden könnte von denen, die uns regieren. Wagen wir das auszusprechen, was sonst keiner zu denken, geschweige zu fordern wagt. Es gehört Mut dazu, etwas aktuell Ungedachtes zu denken, mit der Absicht es populär zu machen. Was heute nur ein paar Verloren wirkende flüstern, könnten morgen schon einige mehr auf der Straße laut einfordern. Wir müssen uns trauen, Gedanken zu haben, die viele denken, aber denen der Mut fehlt diese in die Tat umzusetzen. Sicher werden es mehr, wenn wir nur laut und deutlich sind. Wenn wir deutlich erste Schritte auf unserem langen Weg benennen, auf dem Weg zu Freiheit, Gleichheit und Solidarität!

Das sind unsere Koordinaten auf unserem Weg durch die dunkle See. Einfühlung, Mitleid und Barmherzigkeit, Achtsamkeit, Akzeptanz und Aufgeschlossenheit, Wohlwollen, Güte und Großherzigkeit, Mildtätigkeit und erwiesene Liebesbezeugung, Entgegenkommen, Mitgefühl und Mitmenschlichkeit, Toleranz, Respekt und Wertschätzung, sind unsere Segel, mit denen wir Wind aufnehmen. Es ist nicht nur das Gefühl, sondern die Erkenntnis einer nicht gerechten Welt, die uns handeln lässt. Wir wissen von den Möglichkeiten einer anderen Welt, als der bestehenden. Deshalb lasst uns konkret Verbesserungen im hier und  heute anmahnen!

Beginnen wir damit unbequem zu sein:

Vom Sand im Getriebe bis zum Stein im Weg, alles das ist möglich!

Stellen wir uns quer und springen nicht zur Seite, machen jenen keinen Platz, die mit ihren Ellenbogen sich gedenken durchsetzen zu können. Wir folgen dieser Art und Weise leben zu wollen nicht! Wir verurteilen die, die anstelle eines Herzens einen Stein in ihrer Brust haben. Wir verbrüdern uns nicht mit jenen, die keine Hand zur Hilfe zu reichen bereit sind. Wir verachten die, die keine Achtung denen zeigen, die nicht wissen, wie sie den nächsten Tag überleben können. Wir wollen und müssen in der Antwort auf diese Welt der Gängelung, Ungleichheit und Unbarmherzigkeit radikal sein, um wahr und ernst genommen zu werden. Ja, es geht um existentielle Fragen. Es geht um Fragen, wie ein Recht auf Bildung für alle, ein Recht auf Arbeit für alle, ein Recht auf Wohnung für alle!

Es geht um die Frage, wie wollen wir mit einander leben?

Lasst uns mutig sein, wenn wir diese existentiellen Rechte als Grundrechte einfordern! Wenn wir diese Grundrechte an einzelnen Beispielen konkret werden lassen. Es ist nicht schwer, das was zunächst abstrakt zu sein scheint, konkret werden zu lassen. Recht auf Bildung bedeutet, fordern wir die Implementierung von Nachhilfe in den schulischen Unterricht für die Schwächsten der Schwachen, freien Eintritt für benachteiligte Kinder in Museen, Bibliotheken und Theatern! Recht auf Arbeit bedeutet Arbeit zu lebensgerechten Löhnen, tarifgebundenen Festverträgen, höhere Mindest- und Löhne allgemein! Recht auf Wohnung bedeutet wohnen zu sozial verträglichen Mieten, Bau von städtischen und genossenschaftlichen Wohnungen, Erhalt der „klassischen“ „Berliner Mischung“!

Es lebe die konkrete Utopie! Es lebe unsere Solidarität!