Oktober 4, 2024

Ließe sich mit der Partei „Die Linke“ Staat machen?

Einblicke in die Politik des Dr. Alexander King

Interview von Petra Weingärtner

P.W. Darf ich Ihnen als Kandidat der Linken in Tempelhof-Schöneberg für den Bundestag Fragen stellen, die uns als Bürgerinnen und Bürger im Bezirk und auch darüber hinaus interessieren? Aus unserer Sicht sind es brennende Themen zur Demokratie und dem großen Komplex der Öffentlichen Daseinsvorsorge sowie zur Wirtschafts-, Friedens- und Außenpolitik. Wir möchten gerne Ihre ehrlichen Antworten veröffentlichen, um den Wählerinnen und Wählern einen Eindruck von Ihrer künftigen Ausrichtung in der politischen Arbeit zu geben, sollten Sie in den Bundestag gewählt werden.

Demokratie

P.W. – Glauben Sie, dass die derzeitige Form des Parlamentarismus den Willen der Bürger ausreichend berücksichtigt? A.K. Vor vier Jahren erschien eine Studie, der zufolge in Deutschland eine enorme Schieflage besteht bzgl. der Frage, wessen politischer Wille sich durchsetzt. Demnach finden sich die politischen Ansichten der sozial benachteiligten Gruppen zu selten und die Ansichten der Bessergestellten zu oft in den politischen Entscheidungen wieder. Das hängt mit der politischen Elitenauswahl zusammen (aus welchen Schichten und Milieus stammen die Entscheider?) und mit der enormen Einflussnahme finanzstarker Lobbys. Insofern gibt es noch viel zu tun, um zu einer echten Demokratie zu kommen.

P.W. – Sollte das bestehende parlamentarische System durch Elemente der direkten Demokratie ergänzt werden? Sind Bürgerentscheide für Sie richtungsweisend und umzusetzen? A.K.  JA, ich bin für Bürgerentscheide auch auf Bundesebene. Ich sehe hier in der Schweiz ein Vorbild. Die Bürger sollten in allen wichtigen Fragen, natürlich im Rahmen dessen, was das Grundgesetz vorgibt, direkte Mitsprache erhalten. Ich bin auch für die Einrichtung von Bürgerräten, die im Losverfahren zusammengesetzt werden.

P.W.  – Finden Sie, dass das verabschiedete Lobbyregister ausreicht, um die Autorenschaft an den Gesetzen transparent zuordnen zu können? A.K.NEIN, hier muss noch deutlich nachgebessert werden. Noch ist das ja gar nicht sichtbar, wer worauf konkret Einfluss nimmt. Noch wichtiger wäre allerdings, den Einfluss von Lobbys zurückzudrängen. Dazu gehört für mich auch, Parteispenden von Konzernen und Verbänden zu verbieten und die Spenden vermögender Einzelpersonen zu begrenzen.

Öffentliche Daseinsvorsorge

P.W. – Halten Sie eine Rekommunalisierung von öffentlichen, notwendigen Versorgungsgütern (Infrastruktur, Gesundheit, Energie, etc.) für realisierbar? A.K. JA. Das zeigt ja aktuell u.a. die Rückübernahme des Berliner Stromnetzes durch das Land. Wichtig ist dafür der politische Druck auch durch die organisierte Zivilgesellschaft, siehe auch der Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co. enteignen, den ich sehr unterstütze.

Wohnen

P.W. – Halten Sie einen bundesweiten Mietendeckel für erforderlich? A.K. – JA, die Notwendigkeit liegt auf der Hand angesichts der Entwicklung auf den Wohnungsmärkten in deutschen Großstädten. Da das Bundesverfassungsgericht den Bundesländern hier nicht die Kompetenz zubilligt, muss es jetzt eine bundesweite Regelung geben, die auf angespannten Wohnungsmärkten zum Zuge kommen kann.

P.W. – Sind Sie für die Schaffung von Immobilien-Registern? A.K. – JA

P.W. – Halten Sie an den sog. „Share Deals“ fest, mit denen Konzerne Gewerbesteuer vermeiden? A.K.  – NEIN, die Möglichkeit zu Sharedeals sollte abgeschafft werden. Durch sie entgehen dem Staat erhebliche Steuereinnahmen und sie heizen die Spekulation mit Grund und Boden an.

P.W. – Würden Sie eine bundesweite Kampagne zur Rückführung von Obdachlosen in die Häuslichkeit unterstützen? A.K. – JA, sofern dies freiwillig, also mit dem Einverständnis der Betroffenen erfolgt. Der Berliner Senat unternimmt hier schon einiges, um die Unterbringung etwa in Wohnungen der städtischen Wohnungsunternehmen zu ermöglichen.

Gesundheitswesen

P.W. – Halten Sie die Aufteilung der Krankenversicherung in Gesetzlich und Privat für zukunftsfähig? A.K. – NEIN, ich bin für eine gesetzliche Krankenversicherung für Alle und die Möglichkeit, private Zusatzversicherungen abzuschließen.

P.W. – Würden Sie die sog. Bürgerversicherung einführen? A.K. – JA, DIE LINKE schlägt eine solidarische Gesundheitsversicherung vor, in die Beiträge aus allen Einkommen eingezahlt werden.

P.W. – Stehen Sie hinter den Schließungen von Krankenhäusern? A.K. – NEIN, wir kämpfen z.B. gemeinsam mit Pflegekräften und Anwohnern gegen die Schließung des Wenckebach-Klinikums. Ich finde, es ist ein Ausweis der Dysfunktionalität unseres Gesundheitssystems, dass ausgerechnet in der aktuellen größten Gesundheitskrise in Deutschland 20 Krankenhäuser geschlossen wurden.

P.W. – Halten Sie die Trennung von Krankenversicherung und Pflegeversicherung für zukunftsfähig? A.K. – NEIN, ich fände es gut, wenn auch die Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung ausgebaut würde, in die jeder auf alle Einkommensarten Beträge einzahlt und damit voll versichert ist, analog zur solidarischen Gesundheitsversicherung.

P.W. – Glauben Sie, dass die neueste Pflegereform die existierenden Probleme beseitigt? A.K. – NEIN, wir brauchen insgesamt eine breitere Finanzierungsgrundlage, um Vollversorgung, Deckelung der Eigenbeiträge und bessere Bezahlung der Pflegekräfte zugleich zu erreichen.

Verkehr

P.W. – Unterstützen Sie den Ausbau des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) gegenüber dem Individualverkehr? A.K. – JA, unbedingt. Aber die Reihenfolge muss stimmen. Erst Ausbau der alternativen Angebote! Z.B. in Tempelhof-Schöneberg die Verlängerung der U6 – aber nicht als U-Bahn, das dauert zu lange. Besser wäre, die Strecke oberirdisch weiterzuführen, als Straßenbahn mit niedrigschwelligem Umstieg in Alt-Mariendorf. Wovon ich nichts halte, ist, das Leben der Menschen mit CO2-Bepreisung von Sprit, mit City-Maut oder autofreien Zonen zu verteuern und zu verkomplizieren, bevor es überzeugende Alternativen gibt.

P.W. – Sind Sie für einen Ausbau von Leih-E-Autos und Ladestationen? A.K. JA

P.W. – Sind Sie für Geschwindigkeitsgrenzen auf deutschen Autobahnen? A.K. – JA

P.W. – In welcher Höhe? A.K. 130 km/h

Bildung

P.W. – Ist es Ihrer Meinung nach dringend erforderlich, Bildungsungerechtigkeiten auszugleichen? A.K. – JA, die Bildungschancen sind je nach sozialer Herkunft sehr ungleich verteilt. Das gilt sowohl für den internationalen Vergleich, als auch mit Blick auf die Entwicklung in Deutschland während der letzten Jahrzehnte. Das darf nicht so weitergehen.

P.W. – Würden Sie eine Reform der Ausbildung von Lehrern anstreben? A.K. – JA und NEIN, es gibt Verbesserungspotenzial, aber prioritär wäre, den Lehrermangel zu bekämpfen, das würde auch die Qualität der Ausbildung heben.

P.W. – Würden Sie das Wissenschaftszeitvertragsgesetz aufrechterhalten? A.K. – NEIN, unter dem #ichbinhanna klagen betroffene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler derzeit ihr Leid. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden, um die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter zu verbessern bzw. Befristungen zurückzudrängen.

P.W. – Streben Sie eine Digitalisierung in der Bildung an? A.K. – JA und NEIN, eine gute Ausstattung der Schulen ist wichtig, dazu gehört auch die Ausstattung mit WLAN, Endgeräten, Glasfasernetzanschluss. Aber Wissensvermittlung und die Ausbildung sozialer Kompetenzen werden auch künftig im direkten Kontakt von Mensch zu Mensch erfolgen. Digitalisierung kann unterstützen, soll aber kein Selbstzweck sein. Wichtig ist, die großen Digitalkonzerne außen vor zu lassen und stattdessen leistungsstarke öffentliche Plattformen zu entwickeln und auf Open Source zu setzen.

Energie

P.W. – Halten Sie den Ausbau von erneuerbaren Energien für prioritär? A.K. – JA

P.W. – Bis wann? A.K. – Sofort und so schnell wie möglich. Ziel sollte sein, den Anteil der Erneuerbaren Energien in den kommenden 10 Jahren auf 80% zu steigern.

P.W. – Würden Sie zugunsten des Ausbaus erneuerbarer Energien Bürger am Ertrag beteiligen? Bei Windrädern, Photovoltaikanlagen, Solarzellen auf dem Dach? A.K. – JA, wir wollen Mieterstromkonzepte und hauseigene Stromproduktion fördern, Kommunen sowie kommunale Energiegenossenschaften an genutzten Netzen und an den Gewinnen beteiligen.

P.W. – Würden Sie die Energieproduktion für den hauseigenen Bedarf ohne Anbindung an einen Energiekonzern möglich machen wollen? A.K. – JA

Klima- und Naturschutz

P.W. – Fühlen Sie sich an das Pariser Klima-Abkommen gebunden? A.K. – JA

P.W. – Bis wann streben Sie Klimaneutralität an? A.K. – 2035

P.W. – Sind Sie für Kreislaufwirtschaft? A.K. – JA

Landwirtschaft

P.W. – Halten Sie die derzeitige Form des Ackerbaus für nachhaltig und zukunftsfähig? A.K. – NEIN

P.W. – Würden Sie an der Praxis der Massentierhaltung festhalten? A.K. – NEIN

Wirtschaftspolitik

P.W.– Werden Sie die Schuldenbremse (Schwarze Null) nach der Pandemie wieder aufleben lassen? A.K. – NEIN, wir würden die Schuldenbremse lieber abschaffen, denn sie ist ökonomisch unsinnig. In jedem Fall muss sie so lange wie möglich ausgesetzt bleiben.

P.W. – Halten Sie höhere staatliche Investitionen beispielsweise in die Infrastruktur, in den Umweltschutz, in technologische Entwicklungen für dringend erforderlich? A.K. – JA, wenn wir künftigen Generationen ein zukunftsfähiges Land hinterlassen wollen. DIE LINKE schlägt ein Investitionsprogramm von 120 Mrd.  

P.W. – Sind Sie dafür, dass die deutsche Industrie auf nachhaltiges Produzieren umstellt? A.K. JA, wir schlagen zur Unterstützung einen Industriefonds von 20 Mrd. Euro vor.

P.W. – Sind Sie für ein bedingungsloses Grundeinkommen? A.K. – NEIN, aber ich finde die Diskussion darüber relevant.

P.W. – Sind Sie generell für höhere Löhne? A.K. – JA, Deutschland braucht dringend eine allgemeine Anhebung des Lohnniveaus, wir bleiben weit hinter unseren Möglichkeiten zurück, zum Schaden der Kaufkraft und damit auch der Konjunktur. Neben dem höheren Mindestlohn wäre die Stärkung der Tarifbindung durch die Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung hilfreich.

P.W. – Sind Sie für einen Mindestlohn von 13 Euro? A.K. – JA

Friedenspolitik

P.W. – Sollte Deutschland dem Atomwaffenverbots-Vertrag beitreten? A.K. – JA

P.W. – Sind Sie für die Einführung von bewaffneten Drohnen? A.K. – NEIN

P.W. – Sind Sie für Auslandseinsätze der Bundeswehr? A.K. – NEIN. Nach dem Ende des Afghanistan-Einsatzes muss dringend ein grundsätzliches Umdenken einsetzen. Die Anmaßung, mit militärischen Mitteln die Verhältnisse in anderen Ländern regeln bzw. ändern zu wollen, hat zu nichts Gutem geführt. Wir müssen uns von dieser Vorstellung verabschieden.

P.W. – Glauben Sie, dass das chaotische und dramatische Ende des Afghanistan-Einsatzes zu kritischem Reflektieren in Deutschland über derartige Einsätze führen wird? A.K. Das hoffe ich. Es gibt aber bereits gegenläufige Schlussfolgerungen bei den herrschenden Parteien, die in die Richtung laufen, noch mehr aufzurüsten und noch stärker vermeintliche deutsche Interessen in der Weltpolitik auch militärisch geltend zu machen. Im Zuge der Evakuierung von Ortskräften ist es der herrschenden Politik gelungen, das 20-jährige Debakel Bundeswehrweinsatzes in Afghanistan in den Hintergrund zu schieben. Plötzlich war DIE LINKE in einer Rechtfertigungsposition und nicht mehr diejenigen, die das Desaster angerichtet haben. DIE LINKE hat es leider nicht geschafft, ihre Position klar zu machen, obwohl wir die Ersten waren, die die Rettung der Ortskräfte bereits im Juni angemahnt haben. Ich hoffe aber, dass es uns gemeinsam mit der Friedensbewegung gelingt, die Debatte über den Unsinn von Auslandseinsätzen in die Gesellschaft zu tragen.

Außenpolitik

P.W. – Sind Sie für die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK)?A.K. – JA

P.W. – Was würden Sie dafür tun? A.K. – Zum Beispiel dafür sorgen, dass sich Deutschland und die EU an die Regeln der GFK wie insbesondere das Non-Refoulement halten und nicht Flüchtlinge im Mittelmeer abweisen bzw. durch die libysche Küstenwache zurückdrängen lassen.

P.W. – Halten Sie das Lieferkettengesetz für ausreichend, um die Qualitätsvorgaben zu erfüllen und Kinderarbeit zu stoppen? A.K. – NEIN, es betrifft noch zu wenige Unternehmen und erstreckt sich auch nur auf die unmittelbaren Zulieferer. Wir hatten ein weitergehendes Lieferkettengesetz vorgeschlagen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Dr. King.

Wir bitten alle eindringlich, die wählen dürfen, dieses demokratische Privileg, das viele innerhalb und außerhalb der Bundesrepublik nicht haben, auch wirklich zu nutzen und am Sonntag, den 26.09. Ihre Stimme abzugeben!

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