November 1, 2024

Stolpersteine – Steine, die uns zu denken geben

von Jochen Thiessow

75.000 Stolpersteine hat der Künstler Günter Demnig und sein Team seit dem Jahre 2000 in Deutschland und 20 anderen Ländern für Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Jeweils am letzten, frei gewählten Wohnort der geehrten Person.

Stolpersteine sind aktive Erinnerungs- und Gedenkkultur im besten Sinne. Wir wissen, dass Schulkinder die in den Bürgersteig eingelassenen Messingsteine lesen und Fragen stellen. Wir wissen, dass sich alle, die einmal an der Vorbereitung einer Stolpersteinverlegung  beteiligt waren, begreifen, welche Schicksale mit einem so winzigen Stein nachvollzogen werden können. Stolpersteine machen in besonderer Weise bewusst, dass es immer auch um einzelne Personen geht.

Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt. (Bertold Brecht)

Stolpersteine werden nicht nur für die jüdischen Opfer der Nationalsozialisten verlegt, sondern auch für Opfer aus allen anderen Opfergruppen des nationalsozialistischen Terrorregimes. Der internationale Holocaust-Gedenktag am 27.1. ist der Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee am 27.1.1945.  In Deutschland ist der 27.1. ein bundesweiter und gesetzlich verankerter „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ und zwar aller Opfer der verbrecherischen NS- Ideologie, deren fanatische Anhänger vom ersten Tag an allen nach dem Leben trachteten, die sie als ihre Feinde ausgemacht hatten: Juden, Sinti und Roma,  Homosexuelle, Zeugen Jehovas, polnische, russische und andere sog.  „Untermenschen“, Kranke und Behinderte, Sozialdemokraten, Kommunisten, Kriegsgefangene, Widerstandskämpfer und Menschen, die Verfolgten Schutz gewährten.

Stolperstein Führung in Tempelhof am 26.01.2020

Die Nazis und Millionen willfähriger Helfershelfer kannten keine Ehrfurcht vor dem Leben. Ihre ganze menschliche Niedertracht  kommt in dem zynischen Spruch „Arbeit macht frei“ zum Ausdruck.

Wer bei Aufstehen mitmacht, muss klar Position beziehen. Es darf  kein Verharmlosen,  kein Aufrechnen und auch keinen verkappten Antisemitismus geben. Notwendig ist ein klares Bekenntnis zur Verantwortung Deutschlands und der Deutschen für die Menschheitsverbrechen der Nazis.

Antisemitismus, Rassismus und jede Art von Fremdenfeindlichkeit

lehnen wir strikt ab.

Eine klare Position ist nötig gegenüber denjenigen, die „endlich einen Schlussstrich“ ziehen und die „davon nichts mehr hören“ wollen. Nein, diesen Leuten, die die geistigen Komplizen der Massenmörder von damals salonfähig machen wollen, widersetzen wir uns ganz entschieden.

Unsere Stolpersteinführungen sollen ein Ausdruck von Solidarität und Empathie mit den Opfern sein. Aufstehen-Tempelhof hat Führungen am 9.11.2019 und am 26.1.2020 in der Gartenstadt Neu-Tempelhof sowie am 27.1.2020 in Mariendorf durchgeführt. Wir haben am 2.2.2020  gemeinsam das ehemalige SA-Gefängnis in der Papestraße besucht und an authentischem Ort erfahren, wie der Rechtsstaat mit Willkür und brutalster Folter ab dem 30.1.1933 von einem Tag auf den anderen zu Ende ging. Weitere Führungen und Aufrufe für 2020 sind in Vorbereitung.

Stolpersteine sind Steine, die uns zu denken geben.