November 1, 2024

Buchbesprechung: „Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen – 10 Bedingungen für die Rettung unserer Zukunft“

Jugendrat der Generationen Stiftung 2019

Vorwort:

Der Jugendrat der Generationen Stiftung hat in seinem 2019 erschienenen Buch in 10 Abschnitten politische wie auch gesellschaftliche Versäumnisse der letzten Jahrzehnte klar benannt und Lösungsansätze ausgearbeitet. Dabei wird noch einmal deutlich, wie eng die einzelnen Bereiche miteinander in Wechselwirkung stehen.

Wir von der Aufstehen-Umwelt AG möchten Euch über das o.g. Buch informieren.

Schon bevor uns etwas von der Aktion „Generationen Rettungsschirm“ bekannt wurde, hat uns dieses Buch begeistert, und wir planten eine Buchvorstellung. Jetzt hat diese noch einen weiteren Sinn erhalten, nämlich eine Einführung in die gesamten inhaltlichen Vorstellungen der Generationen-stiftung, welche die Grundlagen zu dem auf vier Punkte fokussierten Aufruf anlässlich der Corona-Wirtschaftshilfen bilden.

Drei der Mitglieder der AG-Umwelt von Aufstehen Berlin haben sich je einen der 10 im Buch enthaltenen Schwerpunkte/ Forderungen ausgesucht und stellen die jeweiligen Inhalte im Folgenden vor, inklusive einer persönlichen Stellungnahme.

Wir hoffen, wir können Euch hiermit im besten Fall zum Lesen des Buches anregen – in jedem Fall aber zur Unterschrift und Weiterleitung der hieraus entstandenen Unterschriftenaktion „Rettungsschirm“.

www.generationenrettungsschirm.de

Lesenswert:

„Paradigmenwechsel zu einer generationengerechten Wirtschaft“:

von Karin v. Werner

Mir gefällt das Buch, weil es sich trotz des komplexen trockenen Themas gut lesen lässt. Es wird überwiegend mit einfachen, klar formulierten, konkreten und fundierten Aussagen gearbeitet – frei von Wiederholungen und Politphilosophien. In 10 Punkten wird Kritik an der derzeitigen Situation geübt und dies anhand von Beispielen belegt. Dann folgt der Plan zum Wechsel.

Sowohl die Analyse als auch Maßnahmen entsprechen fast vollständig meiner Meinung und sind meiner Einschätzung nach auch konform mit denen von Aufstehen.

Von den 10 vorgestellten Forderungen im Buch ist der für mich wichtigste Punkt leider der Utopischste:

„Paradigmenwechsel zu einer generationengerechten Wirtschaft“.

Im Folgenden soll durch eine stichpunktartige Zusammenfassung der Standpunkt des Jugendrates der Generationenstiftung dargestellt werden:

Kritik am derzeitigen Zustand

Wirtschaftswachstum als Allheilmittel (S.69)

  • Raubbau an den Ressourcen der Erde. (S.69)
  • „Es hungern weniger“ genügt nicht. (S.72)
  • Ungleiche Vermögensverteilung (1% der Weltbevölkerung besitzen mehr als die übrigen 99%). (S.73)
  • Ungleiche Gehälter (Spitzenverdiener bekommen das 247fache des mittleren Einkommens in Deutschland / Das Gehalt der Bundeskanzlerin beträgt lediglich das 12fache). S.74
  • Vermögen erzeugt noch viel mehr Vermögen und dieses bleibt durch Vererbung der Familie dauerhaft erhalten. (S.75)
  • Psychische Erkrankungen aufgrund von Stress nehmen massiv zu. ( S.76)
Was wird zurzeit dagegen getan?

Von der Politik:

•             Zurzeit bestimmt die Wirtschaft in vielen Teilen die Politik und nicht umgekehrt. Es wird weggeschaut oder auf Freiwilligkeit gesetzt. (S.78)

Von der Wirtschaft:

•             Gemeinwohlschädliches Verhalten wird geduldet, z.T. sogar noch durch Boni belohnt, es zählt einzig der Profit. (S.80)

Der Plan:

„Wir fordern eine Abkehr von sinnlosen Kenngrößen wie Bruttoinlandsprodukt, Finanzgewinnen und Dividenden als entscheidenden Erfolg von Unternehmen oder den Gesundheitszustand einer Gesellschaft…“. ( S.83)

„Vorrangiges Ziel unserer Wirtschaft muss das Wohlergehen möglichst vieler Menschen sein“. ( S.83)

„Die immer weiter fortschreitende Ökonomisierung des ganzen Lebens muss gestoppt werden“. (S.83)

Konkret (Auszug)

•             Strom, Wasser, Gas rekommunalisieren. (S.83)

•             Rechtsverstöße der Wirtschaft sollen genauso intensiv verfolgt werden wie alle übrigen Straftaten – auch mit Lizenzentzug. (S.86)

•             Datenschutzbehörde, Bankenaufsicht, internationale Kartellbehörden – kein „too big to fail“ mehr. (S.87)

•             Spekulationsgeschäfte müssen verboten werden (S.87), Einführung einer Mindesthaltedauer für Aktien und Derivate. (S.239)

•             Kredite nur in die gemeinwohlfördernde Wirtschaft. (S.87)

Zusammenfassend bedeutet dies, dass es keine vollständig freie Marktwirtschaft mehr geben soll. Der Plan der Generationen Stiftung zur „generationengerechten Wirtschaft“ setzt auf mehr staatliche Regulierungen und Lenkung zum nachhaltigen Wohl des Einzelnen und der Gemeinschaft.

Der Punkt Wirtschaft erscheint mir von allen 10 Punkten der Wichtigste, da dieser Auswirkungen auf alle Bereiche der Gesellschaft: Umwelt, Wohnen, Gesundheit, Bildung und Soziales und Militärausgaben hat.

Wäre die Welt nicht so kapitalistisch geprägt, sondern hätte stattdessen das Gemeinwohl einen höheren Stellenwert in der Wirtschaft, wäre die Welt lebenswerter.

Beim Lesen des Buches sind mir viele Übereinstimmungen mit Aufstehen aufgefallen. Nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell (basisdemokratisch, überparteilich) gibt es große Ähnlichkeiten. Daher rührt die Hoffnung auf große Unterstützung der derzeit laufenden Unterschriftenaktion „Rettungsschirm“.

Lesenswert:

„DIGITALE WELT GESTALTEN, BEVOR ES ZU SPÄT IST.“

von Hans-Jürgen Krauss-Erge

In ihrem Buch „Ihr habt keinen Plan – darum machen wir einen“ beschreibt der Jugendrat der Generationenstiftung seine 10 Bedingungen für die Rettung unserer Zukunft.

Die zehnte Bedingung lautet „DIGITALE WELT GESTALTEN, BEVOR ES ZU SPÄT IST“.

Sie enthält nicht nur im Kontext des Buches eine wichtige Forderung, sondern zeigt ihre Brisanz und Aktualität gerade jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie.

Es ist nachvollziehbar, dass sich der digitale Wandel nicht nur beschränkt auf die Einführung technischer Neuerungen, sondern dass er auch neue ethische Fragen aufwirft. Da geht das junge Autorenteam weit über das hinaus, was vermeintlich verantwortungsbewusste Politiker in der Digitalisierung sehen: Die Verkürzung auf die ökonomische Verwertung neuer Technologien für die Wirtschaft.

„Und alles, was für viele noch völlig undenkbar scheint, wird in der Wissenschaft zumindest bis zu einem bestimmten Grad als realistisch betrachtet. Science-Fiction-Szenarien können Realität werden. Das alles kann entweder für das Wohlergehen aller Menschen oder auch für ihre Manipulierung eingesetzt werden. Der digitale Wandel darf nicht länger als isolierte Entwicklung oder isoliertes politisches Handlungsfeld betrachtet werden. Er nagt an den Grundpfeilern unserer Gesellschaft und stellt die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens auf die Probe.“ (S. 154 f.) Und weiter heißt es: „Die Entwicklung neuer Technologien wird unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit in den Laboren einiger weniger Megakonzerne und Staaten vorangetrieben.“ (S. 155)

Dem schließt sich ein wichtiger Appell an: „Jede*r Einzelne von uns sollte endlich die Warnsignale erkennen, aktiv werden und sich intensiver mit den individuellen und gesellschaftlichen Folgen dieser Manipulationsmöglichkeiten auseinandersetzen.

Mit ihren Algorithmen haben Facebook, Google und Co. die Macht an sich gerissen, um demokratische Strukturen nach ihren Vorstellungen beeinflussen oder gleich ganz deren Gesetze aushebeln zu können.“ (S. 156)

Hier wird deutlich angesprochen, welche verheerenden Wirkungen es haben kann, wenn unsere Regierung weiterhin stillschweigend duldet, dass sich globale Überwachungs- und Manipulationsmöglichkeiten (also reale Machtstrukturen) immer mehr in den Konzernzentralen US amerikanischer IT-Unternehmen zusammenballt und quasi „nebenbei“ auch noch Milliardenprofite an der Steuer vorbei aus Deutschland und den anderen Ländern abgesaugt werden. Eine Position des Jugendrates der Generationenstiftung, die zeigt, wie nahe das an unseren eigenen Vorstellungen bei „Aufstehen“ liegt.

Für mich eine Aufforderung, im Kampf um soziale Gerechtigkeit, Frieden, Klimaschutz und eine sinnvolle Digitalisierungsstrategie auszuloten, welche Bündnismöglichkeiten wir haben, um gemeinsam in Corona-Zeiten mehr Druck auf die Regierenden ausüben zu können.

Wir sollten als Bewegung in der „Findungsphase“ durchaus offen sein für wertvolle Anregungen der jungen Generation bei der Existenzsicherung und Zukunftsgestaltung unserer Gesellschaft und wir haben zugleich die Chance, im gemeinsamen Kampf mit vielen neuen jungen Bewegungen unsere Ideen und vor allem unsere Lebenserfahrungen aktiv einzubringen. Ohne dieses „Wir sind viele und wir machen Druck!“ wird sich nichts verändern. Erst recht nicht, wenn wir irgendeine Form des „Allein-Erklärungs-Anspruchs“ an den Tag legen.

Lesenswert: 

„Klima retten und Ökozid verhindern“.

von Cornelia Nowak

Hier werden Themen angesprochen, die in den letzten Jahren immer wieder zur Diskussion standen, wie z.B. Senkung von CO2- Emissionen, Abfallvermeidung, globale Erderwärmung, ökologische Landwirtschaft, Biodiversität oder Ressourcenschonung. Teilweise gab es Gesetzesvorlagen, die Hoffnung auf durchgreifende Veränderungen machten. Aber letztendlich haben sich die Lobbyisten durchgesetzt, und nicht die Wirtschaft als Verursacher wurde in die Pflicht genommen, sondern der Bürger.

Als Fazit kommt der Jugendrat zu dem Schluss, dass Bedingung 1 und 2 nicht funktionieren ohne tiefgreifende Eingriffe in die Wirtschaft: „Der globale Masterplan gegen die Klimakrise … wird alle notwendigen Maßnahmen zur Abwendung des ökologischen Kollapses enthalten“. „Dieser Strategie wird sich kein Land und kein Unternehmen entziehen können“, S. 58.   

Der Plan setzt u.a. auf schnelleren Kohleausstieg (bis 2025), Einführung einer EU-weiten CO2-Abgabe, sofortiges Ende umweltschädlicher Subventionen, Flugverkehr besteuern und Verbot von Inlandflügen und Kurzstreckenflügen, Verringerung des Autoverkehrs, nachhaltige Infrastruktur, Ressourcenschonung. Bei all den Forderungen wird auch das Gemeinwohl nicht aus den Augen verloren.

Die Kritik des Jugendrates wäre wahrscheinlich in Zeiten der Coronakrise noch drastischer ausgefallen. Vorher hieß es immer, die Politik kann nicht gravierend in die Marktwirtschaft eingreifen, aber in der Krise wurde die Wirtschaft innerhalb weniger Tage heruntergefahren. Bei der Coronakrise beziehen sich die politischen Entscheidungsträger zur Begründung der einschneidenden Maßnahmen permanent auf die Wissenschaft. Gleichzeitig sind sie seit Jahren nicht bereit, dem Klima-und Umweltzerstörungen betreffenden Appell zahlreicher Wissenschaftler zu folgen, obwohl hierdurch das Leben der ganzen Gesellschaft bedroht ist. Anstatt die jetzige Situation zu nutzen und an die Milliarden schweren Rettungspakete für die Industrie auch Forderungen bezüglich Klima, Umwelt, Soziales zu stellen, werden in Hinterzimmern Abkommen geschlossen – zu Lasten der Steuerzahler.

Ich vermisse den großen Aufschrei der Bevölkerung.

Demonstrationen sind zurzeit nur in kleinem Rahmen möglich. Aber wir wissen, nur wenn viele Druck machen, ist mit Erfolg zu rechnen.

Deshalb sollten wir als Aufstehen nach Verbündeten suchen.

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